Hintergrund

Corporate Social Responsibility – Hintergrund und Entwicklung

Für diejenigen, die sich primär für Nachhaltigkeitsmanagement interessieren sei vorab klargestellt, dass es keinen Unterschied zwischen CSR- und Nachhaltigkeitsmanagement oder zwischen Nachhaltigkeits- und CSR-Berichten gibt (siehe Definition Nachhaltigkeitsmanagement).

Fast alle auf unserer Website bereitgestellten Veröffentlichungen befassen sich mit Fragen des Nachhaltigkeitsmanagements, auch dann wenn sie den Begriff CSR im Titel tragen.

Zwischen 2001 und ca. 2015 gab es einen politischen Prozess zu CSR, der von der EU angestoßen und von der Bundesregierung und diversen Akteuren, natürlich auch von Unternehmen, aufgegriffen wurde. Auch wir erhielten mehrfach Aufträge für Studien und Broschüren zu CSR in denen wir uns mit zentralen Fragen des Nachhaltigkeitsmanagement befasst haben (siehe Publikationen).

Heute werden Anforderungen an das Nachhaltigkeitsmanagement und die Nachhaltigkeitsberichterstattung insbesondere im Rahmen der Politiken zu Sustainable Finance und zu Sorgfaltspflichten in der Lieferkette weiterentwickelt.

Die Wurzeln von Corporate Social Responsibility

Das Konzept Corporate Social Responsibility (CSR) stammt ursprünglich aus den USA, wo sich Mitte des 20. Jahrhunderts Geschäftsleute und die Forschung mit der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen auseinandergesetzt haben. Damals stand primär der Beitrag zu sozialen Herausforderungen der Gesellschaft im Mittelpunkt der Betrachtung. Seit Mitte der 1990er Jahre wurden zunehmend auch ökologische Fragestellungen im Kontext von Corporate Social Responsibilitydiskutiert.

Corporate Social Responsibility in Europa

Anfang 2000 hat die Europäische Union (EU) die Idee der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen aufgegriffen. Sie sieht in Corporate Social Responsibility eine Chance für Unternehmen unabhängig von gesetzlichen Vorgaben freiwillig Beiträge zur sozialen und ökologischen Nachhaltigkeit zu leisten. Das 2001 veröffentlichte EU-Grünbuch zu CSR betont die gleichrangige Beachtung von Umweltschutz und sozialen Belangen und macht deutlich, dass Corporate Social Responsibility zur Umsetzung der strategischen Ziele der EU (Lissabon 2000) sowie zu ihrer Nachhaltigkeitsstrategie (Göteborg 2001) beitragen soll.

In 2002 wurde von der EU das Europäische Multistakeholderforum zu CSR initiiert. Darin waren Umwelt- und Sozial-NGO sowie Unternehmensverbände vertreten. Sie sollten sich über Corporate Social Responsibility verständigen und gemeinsame Empfehlungen zur Förderung und Ausgestaltung von CSR entwickeln. Der Abschlussbericht des Multistakeholderforms wurde im Juli 2004 vorgelegt. 2005 hat die Europäische Kommission eine neue Mitteilung zu CSR veröffentlicht, die von den Umwelt- und Sozialverbänden als zu wirtschaftsfreundlich angesehen wurde. Ihre Forderungen wurden in der Mitteilung nicht aufgegriffen. Quasi im Gegenzug haben Unternehmen freiwillig an der Verbesserung von Corporate Social Responsibility gearbeitet indem sie in sogenannten CSR Labs diverse Lösungsansätze und Tools zu Umsetzung von Corporate Social Responsibility entwickelten. In 2009 fand nach längerer Zeit wieder eine Sitzung des Multistakeholderforums statt. Unter anderem wurde vor dem Hintergrund der Finanz- und Wirtschaftskrise und dem damit verbundenen Ruf nach mehr Transparenz und langfristigerem Denken das Thema Berichterstattung erneut diskutiert. (Zuletzt tagte das Multistakeholderforum im Februar 2015.)

EU Mitteilung 2011

Es dauerte dann bis Herbst 2011, bis die EU-Kommission ihre neue CSR-Strategie veröffentlichte. Dort wird Corporate Social Responsibility als „die Verantwortung von Unternehmen für ihre Auswirkungen auf die Gesellschaft“ definiert. In dieser Mitteilung kündigt die Kommission regulative Maßnahmen in verschiedenen Bereichen an („grüne“ Werbung, öffentliche Beschaffung, Offenlegung von Informationen über die Anlageregeln von Investmentfonds etc.). Auch wurde, wie von NGO schon lange gefordert, eine Pflicht zur Berichterstattung angekündigt. Dieses Mal waren nicht die NGO sondern die Wirtschaftsverbände mit den Absichten der EU unzufrieden. Die CSR-Strategie hatte eine Laufzeit von 2011 bis 2014 und wurde danach nicht mehr neu aufgelegt.

EU-CSR-Richtlinie

Die in der CSR-Strategie angekündigte Berichtspflicht wurde 2014 mit einer Ausweitung der Berichtspflichten im Lagebericht durch die sogenannte CSR-Richtlinie (Richtlinie 2014/95/EU zur Angabe nichtfinanzieller und die Diversität betreffender Informationen) realisiert. Die Umsetzung in deutsches Recht erfolgte 2017 mit dem CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz. (siehe Hintergrund Nachhaltigkeitsberichterstattung).

Auslaufen der europäischen CSR-Politik

Die 2019 angetretene von der Leyen-Kommission hat die Ziele ihrer Legislaturperiode unter das Motto European Green Deal gestellt (COM(2019) 640). Hier wird Corporate Social Responsibility nicht mehr erwähnt. Die aus dem europäischen CSR-Prozess entstandene Non-Financial Reporting Directive soll novelliert werden, um einen Beitrag zu Sustainable Finance zu leisten.

Statt CSR erfahren nun Sustainable Finance, Klimawandel und Klimapolitik viel Aufmerksamkeit. Denn die Auswirkungen der Klimakrise werden immer deutlicher sichtbar und es wird zunehmend erkannt, dass sowohl aus dem Klimwandel als auch aus einer wirksame Klimapolitik erhebliche Risiken für Unternehmen und die Finanzmärkte resultieren (z.B. TCFD (2017), NGFS (2020). Für eine Übersicht siehe Loew et al. (2021)) Dies gilt nicht nur für die EU sondern auch für die deutsche Politik.  Auch wird um Verbesserungen bei den Sorgfaltspflichten für die Lieferkette gerungen.

Corporate Social Responsibility in Deutschland

Schon bevor die Europäische Union anfing Corporate Social Responsibility auf ihre politische Agenda zu setzen, hatten sich seitens der Bundesregierung mehrere Ministerien mit Themen befasst, die CSR zuzuordnen sind, ohne dass jedoch Corporate Social Responsibility als Konzept betrachtet wurde. Ab 2003 beschäftigte sich das Bundesumweltministerium (BMU) intensiver mit CSR. Zunächst wurden die Bezüge zu nachhaltiger Entwicklung und umweltorientierter Unternehmensführung betrachtet. Dann wurde eine ganze Serie an BMU-Broschüren zu CSR entwickelt (siehe Publikationen). Traditionell hat in der Bundesregierung das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) die Federführung für Corporate Social Responsibility. Dies ist darauf zurückzuführen, dass CSR in der EU ursprünglich bei der Generaldirektion für Arbeit und Soziales angesiedelt war.

In 2009 setzte die Bundesregierung ein Nationales CSR-Forum ein, das die Entwicklung der Deutschen CSR-Strategie unterstützen sollte. Die 2010 veröffentlichte Strategie zur gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen sah unter anderem vor, Corporate Social Responsibility in Unternehmen und der öffentlichen Verwaltung besser zu verankern, die Sichtbarkeit und Glaubwürdigkeit von CSR zu erhöhen und die Rahmenbedingungen für CSR zu verbessern. Daraufhin wurden insbesondere meherere große Projekte zur Umsetzung dieser Strategie finanziert. Auch sind einige regionale CSR-Kompetenz-Zentren entstanden, die klein- und mittelständische Unternehmen (KMU) in Sachen CSR unterstützt haben. Ein Teil dieser Kompetenz-Zentren existiert auch nach Auslaufen der Fördermittel weiter.

Rat für Nachhaltige Entwicklung (RNE)

Bevor die Bundesregierung ihre Strategie zu CSR vorlegte, versuchte der Rat für Nachhaltige Entwicklung (RNE) bereits seit 2005 mit mehreren Projekten Bewegung in das Thema zu bringen. Ein Meilenstein waren seine Vorschläge für Politik und Unternehmen, die 2006 unter dem Titel „Unternehmerische Verantwortung in einer globalisierten Welt – Ein deutsches Profil der Corporate Social Responsibility“ erschienen. Seit 2005 unterstützt der Rat auch das Ranking der Nachhaltigkeitsberichte. In 2011 hat der Nachhaltigkeitsrat einen Deutschen Nachhaltigkeitskodex (DNK) vorgelegt. Ursprünglich war der Kodex als Managementkodex vorgesehen und enthielt Anforderungen an die Gestaltung des Nachhaltigkeitsmanagements. Das Ergebnis ist jedoch ein Kodex zur Berichterstattung, der insbesondere von mittelständischen Unternehmen angewendet wird.

ISO 26.000

In 2010 wurde die ISO 26.000 „Guidance on Social Responsibility“ verabschiedet. Die Norm soll kein zertifizierbares Managementsystem beschreiben, sondern als Leitfaden für Unternehmen und andere Organisationen dienen. Als wesentlich für die Umsetzung werden die Anerkennung von gesellschaftlicher Verantwortung und die Einbindung der Anspruchsgruppen angesehen. Die ISO 26.000 führt sieben Kernthemen und diverse Handlungsfelder auf und gibt dazu Empfehlungen. Die Kernthemen umfassen Organisationsführung, Menschenrechte, Arbeitspraktiken, Umwelt, faire Betriebs- und Geschäftspraktiken, Konsumentenanliegen und Einbindung und Entwicklung der Gemeinschaft.

CSR und Nachhaltige Entwicklung

Das Leitbild der Nachhaltigen Entwicklung hat sich aus dem Umweltschutzgedanken heraus entwickelt. Auf der UN-Konferenz 1992 in Rio de Janeiro wurde Nachhaltige Einwicklung politisch als gesamtgesellschaftlich ausgerichtetes Leitbild etabliert. Erst Mitte der 1990er Jahre setzte die Ableitung eines Konzepts für Unternehmen ein. Unter anderem entstanden die ersten Nachhaltigkeitsberichte. Heute ist klar, dass zwischen CSR- und Nachhaltigkeitsberichten oder CSR-Management und Nachhaltigkeitsmanagement in der Praxis kein Unterschied besteht (Loew, Rohde 2013).

Definition von CSR

Um die Jahre 2003 bis 2005 war eine Begriffsvielfalt rund um CSR, Nachhaltige Unternehmensführung und auch Corporate Citizenship anzutreffen. Diese Vielfalt ging einher mit variierenden Interpretationen der einzelnen Begriffe, die aus den verschiedenen historischen Wurzeln resultierten. Häufig wurden (und werden zum Teil auch immer noch) die Begriffe Corporate Social Responsibility (CSR) und Corporate Citizenship (CC) fälschlicherweise synonym verwendet. Andere ordnen den Begriffen sehr unterschiedliche Inhalte zu.

Loew et al (2004) hatten erstmals eine in sich geschlossene Begriffssystematik erstellt, die die offiziellen Definitionen der EU und der Rio-Konferenz integrieren. CSR ist demnach zentraler Bestandteil einer nachhaltigen Unternehmensführung. CSR und Nachhaltige Unternehmensführung tragen zu gesamtgesellschaftlicher Nachhaltigkeit bei. Handlungsfelder im Kerngeschäft sind Umweltschutz, Mitarbeiterinteressen, Zulieferkette und Produktverantwortung.

Corporate Citizenship – in Deutschland meist mit „bürgerschaftlichem Engagement“ übersetzt – umfasst Spenden, Unternehmensstiftungen und Corporate Volunteering und ist als ein Teilaspekt von CSR anzusehen. Dabei ist zu beachten, dass in der US-amerikanischen Debatte Corporate Citizenship teilweise mit CSR gleich gesetzt wird (Loew et al. 2004).

Das Grundverständnis, dass Corporate Social Responsibility heutzutage nicht mit Corporate Citizenship gleichzusetzen ist, sondern es bei Corporate Social Responsibility um Verbesserungen im Kerngeschäft geht, hatte sich schließlich auch in der Politik durchgesetzt. Dies ist unter anderem in der CSR-Strategie der Bundesregierung oder in der EU-Mitteilung zu CSR von 2011 nachzuvollziehen.

Ausblick

Auch in der deutschen Politik still um CSR geworden, wenn man das Thema übergreifenden betrachtet. Ob und wie Unternehmen bei der Berücksichtigung von Menschenrechten und Umweltschutz in ihren Lieferkette verantwortlich handeln wurde in den letzten Jahren immer intensiver diskutiert. Schließlich wurde dazu 2021 ein Lieferkettengesetz auf den Weg gebracht. Inzwischen wendet man sich also wieder gezielter den konkreten Herausforderungen zu.

Schließlich sei angemerkt, dass die hier gezeichnete Entwicklung von CSR nicht grundsätzlich als Fehlschlag anzusehen ist. CSR war zwar leider auch ein Ansatz von wirtschaftsnahen Ministerien und Verbänden um Regulierung zu vermeiden. Aber unbenommen dessen wurden mit CSR auch wichtige Lernprozesse zu nachhaltiger Unternehmensführung ermöglicht, in Unternehmen und in der Politik.

Verfasser: Thomas Loew

Empfohlene Zitierweise:
Loew, Thomas (2021) Corporate Social Responsibility – Hintergrund und Entwicklung. Stand April 2021. (online) http://www.4sustainability.de/corporateresponsibility/hintergrund.html (Lesedatum)

Quellen

Loew, T.; Braun, S.; Fleischmann, J.; Franz, M.; Klein, A.; Rink, S.; Hensel, L. (2021) Management von Klimarisiken in Unternehmen: Politische Entwicklungen, Konzepte und Berichtspraxis. Climate Change 05/2021  Umweltbundesamt, Dessau. Downloadseite

NGFS – Network for Greening the Financial System. (2019) A call for action. Climate change as a source of financial risk.

TCFD – Task Force on Climate-related Financial Disclosures. (2017) Recommendations of the Task Force on Climate-related Financial Disclosures. Final Report. Verfügbar unter www.fsb-tcfd.org

Loew T., Rohde F. (2013) CSR und Nachhaltigkeitsmanagement.
Definitionen, Ansätze und organisatorische Umsetzung im Unternehmen, Berlin (Download unter Publikationen zu CSR)

Europäische Kommission (2011) Eine neue EU-Strategie (2011-14) für die soziale Verantwortung der Unternehmen (CSR), Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den euröpäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen, KOM(2011) 681, Brüssel

Rat für Nachhaltige Entwicklung (2011) Der Deutsche Nachhaltigkeitskodex (DNK)

Bundesministerium für Arbeit und Soziales (2010). Nationale Strategie zur gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen. Aktionsplan CSR der Bundesregierung.

Loew T, Clausen J, Westermann U (2005) Nachhaltigkeitsberichterstattung in Deutschland: Ergebnisse und Trends im Ranking 2005, Berlin, Münster

Loew T, Ankele K, Braun S, Clausen J (2004) Bedeutung der internationalen CSR-Diskussion für Nachhaltigkeit und die sich daraus ergebenden Anforderungen an Unternehmen mit Fokus Berichterstattung, Berlin (Download unter Publikationen zu CSR)